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Ludwig Rellstab:

1: Liebesbotschaft

Rauschendes Bächlein, so silbern und hell,
Eilst zur Geliebten so munter und schnell?
Ach, trautes Bächlein, mein Bote sei du;
Bringe die Grüsse des Fernen ihr zu.

All’ ihre Blumen im Garten gepflegt,
Die sie so lieblich am Busen trägt,
Und ihre Rosen in purpurner Glut,
Bächlein, erquicke mit kühlender Flut.

Wenn sie am Ufer, in Träume versenkt,
Meiner gedenkend, das Köpfchen hängt;
Tröste die Süsse mit freundlichem Blick,
Denn der Geliebte kehrt bald zurück.

Neigt sich die Sonne mit rötlichem Schein,
Wiege das Liebchen in Schlummer ein.
Rausche sie murmelnd in süsse Ruh,
Flüstre ihr Träume der Liebe zu.

2: Kriegers Ahnung

In tiefer Ruh liegt um mich her
Der Waffenbrüder Kreis;
Mir ist das Herz so bang und schwer,
Von Sehnsucht mir so heiss.

Wie hab’ ich oft so süss geträumt
An ihrem Busen warm!
Wie freundlich schien des Herdes Glut,
Lag sie in meinem Arm!

Hier, wo der Flammen düstrer Schein
Ach! nur auf Waffen spielt,
Hier fühlt die Brust sich ganz allein,
Der Wehmut Träne quillt.

Herz! Dass der Trost Dich nicht verlässt!
Es ruft noch manche Schlacht –
Bald ruh ich wohl und schlafe fest,
Herzliebste – Gute Nacht!

3: Frühlingssehnsucht

Säuselnde Lüfte wehend so mild,
Blumiger Düfte atmend erfüllt!
Wie haucht ihr mich wonnig begrüssend an!
Wie habt ihr dem pochenden Herzen getan?
Es möchte euch folgen auf luftiger Bahn,
Wohin? Wohin?

Bächlein, so munter rauschend zumal,
Wollen hinunter silbern in’s Tal.
Die schwebende Welle, dort eilt sie dahin!
Tief spiegeln sich Fluren und Himmel darin.
Was ziehst du mich, sehnend verlangender Sinn,
Hinab? Hinab?

Grüssender Sonne spielendes Gold,
Hoffende Wonne bringest du hold.
Wie labt mich dein selig begrüssendes Bild!
Es lächelt am tiefblauen Himmel so mild
Und hat mir das Auge mit Tränen gefüllt! –
Warum? Warum?

Grünend umkränzet Wälder und Höh’!
Schimmernd erglänzet Blütenschnee.
So dränget sich alles zum bräutlichen Licht;
Es schwellen die Keime, die Knospe bricht;
Sie haben gefunden, was ihnen gebricht:
Und du? Und du?

Rastloses Sehnen! Wünschendes Herz,
Immer nur Tränen, Klage und Schmerz?
Auch ich bin mir schwellender Triebe bewusst!
Wer stillet mir endlich die drängende Lust?
Nur du befreist den Lenz in der Brust,
Nur du! Nur du!

4: Ständchen

Leise flehen meine Lieder
Durch die Nacht zu Dir;
In den stillen Hain hernieder,
Liebchen, komm’ zu mir!

Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
In des Mondes Licht;
Des Verräters feindlich Lauschen
Fürchte, Holde, nicht.

Hörst die Nachtigallen schlagen?
Ach! sie flehen Dich,
Mit der Töne süssen Klagen
Flehen sie für mich.

Sie verstehn des Busens Sehnen,
Kennen Liebesschmerz,
Rühren mit den Silbertönen
Jedes weiche Herz.

Lass auch Dir die Brust bewegen,
Liebchen, höre mich!
Bebend harr’ ich Dir entgegen!
Komm’, beglücke mich!

5: Aufenthalt

Rauschender Strom, brausender Wald,
Starrender Fels mein Aufenthalt.
Wie sich die Welle an Welle reiht,
Fliessen die Tränen mir ewig erneut.

Hoch in den Kronen wogend sich’s regt,
So unaufhörlich mein Herze schlägt.
Und wie des Felsen uraltes Erz
Ewig deselbe bleibet mein Schmerz.

6: In der Ferne

Wehe dem Fliehenden
Welt hinaus ziehenden! –
Fremde durchmessenden,
Heimat vergessenden,
Mutterhaus hassenden,
Freunde verlassenden
Folget kein Segen, ach!
Auf ihren Wegen nach!

Herze, das sehnende,
Auge, das tränende,
Sehnsucht, nie endende,
Heimwärts sich wendende!
Busen, der wallende,
Klage, verhallende,
Abendstern, blinkender,
Hoffnungslos sinkender!

Lüfte, ihr säuselnden,
Wellen sanft kräuselnden,
Sonnenstrahl, eilender,
Nirgend verweilender:
Die mir mit Schmerze, ach!
Dies treue Herze brach –
Grüsst von dem Fliehenden
Welt hinaus ziehenden!

7: Abschied

Ade, Du muntre, Du fröhliche Stadt, Ade!
Schon scharret mein Rösslein mit lustigem Fuss;
Jetzt nimm noch den letzten, den scheidenden Gruss.
Du hast mich wohl niemals noch traurig gesehn,
So kann es auch jetzt nicht beim Abschied geschehn.
Ade …

Ade, Ihr Bäume, Ihr Gärten so grün, Ade!
Nun reit’ ich am silbernen Strome entlang,
Weit schallend ertönet mein Abschiedsgesang,
Nie habt Ihr ein trauriges Lied gehört,
So wird Euch auch keines beim Scheiden beschert.
Ade …

Ade, lhr freundlichen Mägdlein dort, Ade!
Was schaut Ihr aus blumenumduftetem Haus
Mit schelmischen, lockenden Blicken heraus?
Wie sonst, so grüss’ ich und schaue mich um,
Doch nimmer wend’ ich mein Rösslein um.
Ade …

Ade, liebe Sonne, so gehst Du zur Ruh’, Ade!
Nun schimmert der blinkenden Sterne Gold.
Wie bin ich Euch Sternlein am Himmel so hold,
Durchziehn wir die Welt auch weit und breit,
Ihr gebt überall uns das treue Geleit.
Ade …

Ade, Du schimmerndes Fensterlein hell, Ade!
Du glänzest so traulich mit dämmerndem Schein
Und ladest so freundlich ins Hüttchen uns ein.
Vorüber, ach, ritt ich so manches mal
Und wär’ es denn heute zum letzten mal?
Ade …

Ade, Ihr Sterne, verhüllet Euch grau! Ade!
Des Fensterlein trübes, verschimmerndes Licht
Ersetzt Ihr unzähligen Sterne mir nicht;
Darf ich hier nicht weilen, muss hier vorbei,
Was hilft es, folgt Ihr mir noch so treu!
Ade, Ihr Sterne, verhüllet Euch grau!
Ade!

Heinrich Heine:

8: Der Atlas

Ich unglücksel’ger Atlas! eine Welt,
Die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen.
Ich trage Unerträgliches, und brechen
Will mir das Herz im Leibe.

Du stolzes Herz, du hast es ja gewollt!
Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich,
Oder unendlich elend, stolzes Herz,
Und jetzo bist du elend.

9: Ihr Bild

Ich stand in dunkeln Träumen,
Und starrt’ ihr Bildnis an,
Und das geliebte Antlitz
Heimlich zu leben begann.

Um ihre Lippen zog sich
Ein Lächeln wunderbar,
Und wie von Wehmutstränen
Erglänzte ihr Augenpaar.

Auch meine Tränen flossen
Mir von den Wangen herab –
Und ach, ich kann es nicht glauben,
Dass ich dich verloren hab’!

10: Das Fischermädchen

Du schönes Fischermädchen,
Treibe den Kahn ans Land;
Komm zu mir und setze dich nieder,
Wir kosen Hand in Hand.

Leg an mein Herz dein Köpfchen,
Und fürchte dich nicht zu sehr;
Vertraust du dich doch sorglos
Täglich dem wilden Meer.

Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Hat Sturm und Ebb’ und Flut,
Und manche schöne Perle
In seiner Tiefe ruht.

11: Die Stadt

Am fernen Horizonte
Erscheint, wie ein Nebelbild,
Die Stadt mit ihren Türmen
In Abenddämmrung gehüllt.

Ein feuchter Windzug kräuselt
Die graue Wasserbahn;
Mit traurigem Takte rudert
Der Schiffer in meinem Kahn.

Die Sonne hebt sich noch einmal
Leuchtend vom Boden empor,
Und zeigt mir jene Stelle,
Wo ich das Liebste verlor.

12: Am Meer

Das Meer erglänzte weit hinaus
Im letzten Abendscheine;
Wir sassen am einsamen Fischerhaus,
Wir sassen stumm und alleine.

Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
Die Möwe flog hin und wieder;
Aus deinen Augen liebevoll
Fielen die Tränen nieder.

Ich sah sie fallen auf deine Hand,
Und bin aufs Knie gesunken;
Ich hab’ von deiner weissen Hand
Die Tränen fortgetrunken.

Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Seele stirbt vor Sehnen; –
Mich hat das unglücksel’ge Weib
Vergiftet mit ihren Tränen.

13: Der Doppelgänger

Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
In diesem Hause wohnte mein Schatz;
Sie hat schon längst die Stadt verlassen,
Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.

Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
Und ringt die Hände, vor Schmerzens Gewalt;
Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe –
Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.

Du Doppelgänger! du bleicher Geselle!
Was äffst du nach mein Liebesleid,
Das mich gequält auf dieser Stelle,
So manche Nacht, in alter Zeit?

Johann Gabriel Seidl:

14: Die Taubenpost

Ich hab’ eine Brieftaub in meinem Sold,
Die ist gar ergeben und treu,
Sie nimmt mir nie das Ziel zu kurz,
Und fliegt auch nie vorbei.

Ich sende sie vieltausendmal
Auf Kundschaft täglich hinaus,
Vorbei an manchem lieben Ort,
Bis zu der Liebsten Haus.

Dort schaut sie zum Fenster heimlich hinein,
Belauscht ihren Blick und Schritt,
Gibt meine Grüsse scherzend ab
Und nimmt die ihren mit.

Kein Briefchen brauch’ ich zu schreiben mehr,
Die Träne selbst geb’ ich ihr:
O sie verträgt sie sicher nicht,
Gar eifrig dient sie mir.

Bei Tag, bei Nacht, im Wachen, im Traum,
Ihr gilt das alles gleich:
Wenn sie nur wandern, wandern kann,
Dann ist sie überreich!

Sie wird nicht müd’, sie wird nicht matt,
Der Weg ist stets ihr neu;
Sie braucht nicht Lockung, braucht nicht Lohn,
Die Taub’ ist so mir treu!

Drum heg’ ich sie auch so treu an der Brust,
Versichert des schönsten Gewinns;
Sie heisst – die Sehnsucht! Kennt ihr sie?
Die Botin treuen Sinns.